Der Dieb von Bagdad (1940) - Ludwig Berger, Michael Powell, Tim Whelan (2024)

(Ein Review von Carsten Henkelmann)

In Bagdad gilt der herrschende König Ahmad (John Justin) als sehr streng und ist beim allgemeinen Volk unbeliebt. Dies liegt aber mehr an seinem Großvesir Jaffar (Conrad Veidt), der ihm stets Ratschläge gibt, die beim Volk für Unmut sorgen. Eines Tages gibt er ihm den Rat, sich doch einfach unter die einfachen Leute zu mischen und dort aus nächster Nähe mitzubekommen, wie sie ihren Herrscher sehen. Ahmad geht darauf ein, tappt aber ohne es zu ahnen in Jaffars Falle, der ihn so einfach von seinen Leuten verhaften und ins Gefängnis werfen kann. Dort lernt er den gewitzten Dieb Abu (Sabu) kennen, der beiden zur Flucht verhelfen kann. Sie reisen nach Basra, wo Ahmad die schöne Prinzessin (June Duprez) des Sultans erblickt und sich sofort in sie verliebt. Diese Gefühle werden erwidert, aber schon wieder ist ihm Jaffar im Weg. Der ist mittlerweile ebenfalls in Basra und bittet den Sultan um die Hand seiner Tochter. Der willigt ein, worauf die Prinzessin flüchtet. Ahmad und Abu werden von den Palastwachen entdeckt und von Jaffar mit einem Fluch belegt, Ahmad erblinded und Abu wird in einen Hund verwandelt. Dieser Fluch kann nur aufgehoben werden, wenn die Prinzessin sich freiwillig in die Arme Jaffars fallen läßt. Dies passiert schließlich später, aber Ahmad will trotzdem versuchen die Prinzessin aus den Klauen des schwarzen Magiers zu befreien...

"An Arabian Fantasy in Technicolor" heißt es gleich im Vorspann und dieser knappe Satz passt wirklich sehr gut zum Film. "Der Dieb von Bagdad" ist einer dieser Filme, den man als Kind und Jugendlicher immer wieder gerne im Fernsehen gesehen hat, zusammen mit anderen Fantasy-Epen wie "Kampf der Titanen" oder den "Sindbad" Filmen. Während andere klassische Verfilmungen von Fantasy- und Abenteuer-Geschichten auch heute noch genauso zu unterhalten verstehen wie damals, wirkt leider "Der Dieb von Bagdad" mittlerweile doch mächtig angestaubt. Dies hat weniger mit den Trickeffekten zu tun, sondern vielmehr wie die Geschichte erzählt wird. Entweder hat man es in jungen Jahren nicht so mitbekommen oder bewußt verdrängt, jedenfalls bei heutiger Betrachtung fallen dem Zuschauer doch so einige Flachheiten und übertriebener Pathos auf.

Aber zunächst zu den Pluspunkten des Films. Erzählt wird eine Geschichte voller Romantik, Abenteuer und ein wenig Magie. Ahmad und Abu begegnen bei ihrer Odyssee einem richtigen Djinn und einer Riesenspinne, während Jaffar ein mechanisches Pferd zum Fliegen bringt und eine sechsarmige Tänzerin erschafft, die eine fatale Anziehungskraft auf den Sultan ausübt. Hier werden tyische Fantasy-Elemente und eine Abenteuer-Romanze zu einem klassischen Märchen verwoben. Die Handlung gestaltet sich recht abwechslungsreich und weist nur wenige Längen auf, hat aber ihre deutlichen Schwachstellen (Abu muss gegen eine Spinne kämpfen, aber die zahlenmäßig überlegeneren menschlichen Wächter können ihn nicht ergreifen?). Für seine Zeit konnte der Film auch mit spektakulären Spezialeffekten glänzen, die ihm einen von insgesamt drei Oskars bescherten.

Da es sich um ein typisches Märchen handelt, gestaltet sich der Verlauf der Geschichte auch als sehr vorhersehbar. Die Helden des Films geraten in Gefahr, haben einige Abenteuer zu bestehen, befreien eine Frau aus den Fängen des Bösewichts und feiern schließlich ein sonniges Happy End. Die Charaktere sind da recht einfach gehalten. Ahmad ist zwar der eigentliche Held des Films, weist aber keinerlei Ecken und Kanten auf und stolpert eher blind vor Liebe von einer Notlage zur nächsten. Der jüngere Abu ist da schon von massiverem Format und hat die gefährlicheren Abenteuern von beiden durchzustehen. Nicht nur, dass er ein wertvolles Juwel stehlen muss, dass von einer riesigen Spinne bewacht wird, sondern muss auch noch seine Befehlsgewalt gegenüber dem durchtriebenen Djinn beweisen, der gar nicht so freundlich ist wie man annehmen könnte. Lediglich der schwarze Magier Jaffar hat sowas wie Charakter, ist durchtrieben, versucht aber auf der anderen Seite (vergeblich) das Herz der Prinzessin zu gewinnen. Die kommt im übrigen kaum über eine plakative Statistenrolle hinweg. Die Liebesbeziehung zwischen ihr und Ahmad gehört glaube ich zu den am schnellsten vollzogenen in der ganzen Filmgeschichte. Er braucht nur eine Minute vor ihr stehen, ein bißchen Süßholz raspeln und schon liegen sie sich küssend in den Armen.

Die offensichtlichen Mängel mal beiseite genommen, versteht es der Film auf einer leichten Basis doch noch recht gut zu unterhalten. Ob sich der CGI-verwöhnte Zuschauer, Kinder wie Erwachsene, mit den damals zwar wegweisenden, aber heute doch eher primitiv erscheinenden Spezialeffekten anfreunden kann bleibt abzuwarten. Wer den Film bereits von früher kennt und auch damals schon mochte, der darf in Erinnerungen schwelgend hinabtauchen in die Welt von 1001 Nacht und sich an Magiern, Djinns und Abenteuern erfreuen.

Bereits 1924 gab es eine Verfilmung mit dem Stummfilm-Star Douglas Fairbanks, der dort sowohl Dieb als auch romatischer Held in einer Person war, während dies in der 1940er Version auf zwei Charaktere aufgeteilt wurde. Es folgten zwei weitere Verfilmungen, der italienische "Il Ladro di Bagdad" mit Steve "Herkules" Reeves in der Hauptrolle und eine TV-Adaption namens "The Thief of Bagdad" mit Roddy McDowall ("Planet of the Apes") und Peter Ustinov. "Der Dieb von Bagdad" stellte die erste Produktion von Alexander Kordas eigener Produktionsfirma dar. Der gebürtige Ungar war im Laufe seiner Karriere durch halb Europa gereist und schließlich in den USA gelandet und war sowohl Produzent als auch Regisseur, Schauspieler oder Drehbuchautor. Die Dreharbeiten in den Studiosets konnten in England noch abgeschlossen werden, bevor der Beginn des Zweiten Weltkrieges alle weiteren Planungen zunichte machte und erst mit großer Verzögerung die Außenaufnahmen in den USA weitergeführt werden konnten. Auch war die Produktion noch von weiteren Problemen und Konflikten betroffen, was dazu führt, dass im Vorspann bereits drei Regisseure genannt werden, aber außerdem nochmals drei weitere Personen für einige Zeit im Regiestuhl saßen. Einige Szenen mit Sabu mussten erneut gedreht werden, da der Junge in der Zeit merklich gewachsen war. Auch wurde die Musik erst von einem anderen Komponisten erstellt, bis schließlich Miklós Rózsas Kompositionen angenommen wurden.

Conradt Veidt war damals Universals erste Wahl als es um die Vergabe der Hauptrolle in deren "Dracula" ging, bekommen hat die bekanntermaßen aber Bela Lugosi, der Rest ist Horrorfilmgeschichte. Der gebührtige Potsdamer begann seine Karriere in Deutschland bereits 1916, spielte die Rolle des Cesare in dem Klassiker "Das Kabinett des Dr. Caligari" und stand für Fritz Lang in "Das indische Grabmal" vor der Kamera. Seit 1927 arbeitete er immer wieder mal in den USA, bevor er 1933 Deutschland endgültig den Rücken zukehrte und sich erstmal in Großbritannien niederließ. 1942 trat er in dem Welterfolg "Casablanca" auf, bevor er ein Jahr später an den Folgen einer Herzattacke starb. Für John Justin war die Rolle des Ahmads sein Schauspieldebüt, danach gebührte ihm aber nur ein Schicksal in eher unbekannteren Filmen. Miles Malleson stellte hier nicht nur den Sultan von Basra dar, sondern schrieb auch einen Teil des Drehbuches und der Dialoge. Er hatte sehr viele Rollen in seiner Karriere, Neben- wie auch Hauptrollen. So sah man ihn z.B. als schrulligen Bestattungsunternehmer in dem Remake der Hammer Studios von "Dracula" oder in dem "Hound of the Baskervilles" mit Peter Cushing und Christopher Lee.

In den Staaten wurde der Film bereits letztes Jahr ohne viel Promotion von MGM veröffentlicht. Dank Anolis feiert der Film nun auch in Deutschland seine DVD-Premiere. Da es sich im einen fast 65 Jahre alten Film handelt, kann man von der Bildqualität keine beeindruckenden Höchstleistungen erwarten, zumal das Ausgangsmaterial nicht nur durch sein Alter, sondern auch durch das Nutzen von Bluescreens und Mattepaintings leichte Einschränkungen bietet. Aber dennoch erscheinen die Technicolor-Farben mit einer schönen knalligen Sättigung und der Kontrast versteht ebenfalls zu gefallen. Nur mit der Schärfe haperts ein bißchen, wahrscheinlich wurde ein Rauschfilter eingesetzt, denn Bildrauschen ist nur in einem sehr geringen Maße vorhanden. Außerdem tritt leider ein auffälliges Edge Enhancement auf. Die Kompression macht sich bis auf vereinzelte Blockbildung nicht weiter negativ bemerkbar. Deutscher wie auch englischer Ton liegen in einer verhältnismäßig guten Form vor, auch wenn beide ein wenig dumpf erklingen. Der deutsche Ton leidet stellenweise unter einem leichten Rauschen. Die Musik klingt im englischen Ton auch ein wenig satter im Gegensatz zum etwas zu hell klingenden Soundtrack in der deutschen Spur. Deutsche Untertitel gibt es ebenfalls, die sich schön vom Hintergrund abheben und somit gut zu lesen sind.

An Bonusmaterial gibt es leider nicht sehr viel. Neben dem deutschen und englischen Trailer wurde noch der deutsche Vor- und Abspann auf die DVD gepackt, da als Master für den Film das englischsprachige Original diente. Dieser Beitrag liegt aber nur in VHS-Niveau vor und ist ohnehin eher als kleiner Vergleich und weniger als vollwertiges Extra zu verstehen. Die Bildergalerie bietet eine breite Palette an Plakatmotiven, Szenen- und Aushangsfotos sowie einzelne Promotionbilder. Abschließend gibt es noch Bio- und Filmographien von Conradt Veidt, Sabu, John Justin, June Duprez und Miles Malleson, wobei nur die von Conradt Veidt richtig ausführlich und informativ ausgefallen sind. Die schön animierten und zum Film passenden Übergänge in dem DVD-Menü sollten auch noch erwähnt werden.

Der absolute Knaller liegt aber in Form eines versteckten Hidden Features vor, das im Extras-Menü versteckt ist. Die zeigt dann die 10-minütige schwarz-weiß Stummfilm-Parodie "Grief in Bagdad", in der alle bekannten Charaktere aus der "Dieb von Bagdad" Geschichte durch Schimpansen ersetzt wurden! Der Held in dieser Version erlebt allerlei turbulente und akrobatische Abenteuer im Stile bester Buster Keaton Komödien und das ganze ist höchst amüsant. Allein wegen dieses Features würde sich der Kauf der DVD schon lohnen! Außerdem kann an anderer Stelle auch der Trailer zu "Das Dschungelbuch" aktiviert werden, der Realfilmversion, in der Sabu die Hauptrolle spielt.

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